Pole Dance – Stripkarriere oder Leistungssport?

Laura Bongardt

Pole Dance – Auf kaum ein Hobby, das man so haben kann, könnten die Reaktionen wohl unterschiedlicher sein. Die einen sind sofort beeindruckt und haben Respekt vor der Kraft, die man haben muss, um nicht wie ein nasser Sack an der Stange zu hängen. Die anderen denken sofort ans Rotlichtmilieu und beäugen einen kritisch.

Der „Stangentanz“ ist derzeit stark im Trend und erobert nicht nur Amerika, sondern mehr und mehr auch Europa. Vorurteile gibt es allerdings immer noch genug. Viele haben das Bild der leicht bekleideten Stripperin im Kopf, die auf High Heels um eine Pole stöckelt. Doch jeder, der einmal einen Blick in ein Tanzstudio wirft, in dem Pole Dance angeboten wird, wird merken, dass er sich da getäuscht hat. Pole Dance ist zum Leistungssport geworden und wird in Zukunft an ganz anderen Orten zu finden sein als im Stripclub.

Ich kam eigentlich über diese Schule zu Pole Dance. Bei meinem Praktikum bei der Zeitung lernte ich nach ein paar Wochen Michele, die neue zweite Praktikantin dort, kennen. Endlich hatte ich jemanden, mit dem ich bei den Pressekonferenzen, zu denen ich so ging, Brezen essen und Kaffee trinken konnte. Schnell stellten wir fest, dass wir jeden Montag im selben Tanzstudio, in zwei Räumen, die direkt nebeneinander lagen, trainierten: ich als Streetdance-Schülerin, sie als Pole-Trainerin. Allerdings hatten wir uns noch nie wirklich bewusst wahrgenommen.

Pole Dancing – by Sven Evertz from Sven Evertz on Vimeo.

Journalisten werden beim Thema Pole Dance natürlich auch sofort hellhörig und wittern einen Skandal.

Michele tat mir wirklich leid, weil die Diskussionen im Praktikum ungefähr jeden zweiten Tag eskalierten. Quer durch die Redaktion wurde schon fast gebrüllt: „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du in deinem knappen Outfit nicht auch nur den kleinsten Hintergedanken hast, Männer beeindrucken zu wollen!“ Michele wurde es irgendwann zu blöd und sie fing an, Youtube-Videos zu zeigen. Da alle Redakteure Pole Dance bisher nur aus dem Stripclub zu kennen schienen, waren diese Bilder völlig neues Terrain. So saßen wir manchmal alle vor einem Computer, und es interessierte niemanden mehr, dass die Chefin eigentlich alles, was wir so googelten, überprüfen konnte.

Auch mich faszinierte diese Sache immer mehr.

Ich war schon in zwei Tanzgruppen und hatte eigentlich wieder Lust bekommen, mit dem Turnen anzufangen. Allerdings hatte ich diesen Plan bereits drei Mal in die Tat umgesetzt und wieder aufgegeben. Deshalb traute ich mich nicht mehr unbedingt, der sehr strengen Trainerin dort unter die Augen zu treten. Beim Turnen fehlte mir irgendwie die Musik und außerdem hatte ich Angst mir beim Versuch eines Saltos, einen Genickbruch zuzulegen.

So hatte es Michele nicht schwer, mich zu einer Probestunde von Pole Dance zu überreden. Diesen Gedanken hatten zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht unbedingt viele andere. Die erste Stunde am Montag war zwar noch gut belegt, in der zweiten, die ich wählte, war ich jedoch erst einmal alleine.

Ich weiß wirklich nicht, wie Menschen auf die Idee kommen können, sich einen Personal-Trainer zuzulegen.

Jeder Schritt, den man macht, wird genauestens beobachtet und kritisiert.

Ich dachte mir zwar schon, dass das Ganze nicht unbedingt entspannend wird, aber auch nicht, dass ich nach 20 Minuten zurück in mein Bett wollen würde. Trotzdem träumte ich davon, das zu können, was auf Youtube an der Pole so wahnsinnig cool aussah und meldete mich an.

Entgegen der Vorstellung vieler tanzen wir dort nicht in High-Heels und Lederkluft und planen auch nicht irgendwann eine Karriere im Stripclub. Jeder, der einmal mitmacht oder auch nur zusieht wie z.B. meine zuerst eher skeptische Mutter, kann mit einigen Vorurteilen aufräumen.

Natürlich spielen Eleganz oder sexy sein, wie ihr es nennen würdet, eine Rolle.

Niemand, der seine Zehen verkrampft, bis zum Anschlag hochzieht oder nicht über das kleinste bisschen Körperspannung verfügt, kann dabei gut aussehen und darum geht es beim Tanzen nun mal. Eher knappe Kleidung wird außerdem getragen, weil man bei Figuren nur dann nicht von der Stange rutscht, wenn die entsprechenden Körperteile frei von Stoff sind. Da Stripperinnen allerdings eh hauptsächlich nur um die Stangen herumstöckeln, anstatt wirklich Pole Dance zu tanzen, hat das Fehlen von Kleidung hier wohl eher andere Gründe.

Meine Trainerin wurde bei der Frage, wie Pole eigentlich im Stripclub getanzt wird, auch schon einmal neugierig und stattete dem Apollo einen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit bekam sie direkt ein Jobangebot als Trainerin der Tänzerinnen (sie hat abgelehnt). Man sieht also, wer hier mehr draufhat.

Wahre Pole Dancer erkennt man übrigens an blauen Flecken.

Im Gegensatz zu denen, die entstehen, wenn man betrunken gegen einen Tisch läuft, kann man auf die beim Pole Dance zugelegten wenigstens stolz sein.

Eine weitere Frage, die oft gestellt wird, ist, ob es auch Männer gibt, die Pole Dance tanzen. Die Antwort darauf ist: Ja, es gibt sie. Wie man sich jedoch vielleicht denken kann, ist das Ganze nicht so einfach für die Männerwelt. Alles, was damit zu tun hat, die Beine um die Pole zu schlingen, führt zu eher unangenehmen Situationen. Und da Männer zwar theoretisch eigentlich weniger schmerzempfindlich, aber dafür praktisch drei Mal so wehleidig sind wie Frauen, wäre ihr Gejammere das Ergebnis wohl eher nicht wert.

Allerdings haben die Männer ihren eigenen Stil entwickelt: weniger tanzen, mehr Akrobatik.

So gibt es sogar schon Pole Dancer, die von Schule zu Schule ziehen und Workshops anbieten. Wer ein Problem mit Muskelkater hat, sollte davon allerdings lieber die Finger lassen. Pole Dance beansprucht Muskeln, von denen man zuvor nicht einmal wusste, dass man sie hat. So ziemlich alles – Rücken, Oberarme, Bauch, Beine, Po – werden trainiert und nebenbei verbrennt man auch noch Fett. Daher wird der Stangentanz immer beliebter als Workout und verliert langsam aber sicher seinen Ruf als „Strippersport“. Leistungssport wird vielleicht irgendwann ein geläufigerer Begriff sein.

Meinen Kurs besuchen mittlerweile fast jede Stunde neue Interessierte.

Natürlich bleiben sie nicht alle, aber dass Pole Dance immer mehr an Beliebtheit gewinnt, lässt sich nicht leugnen.

Auftritte wird es in Zukunft auf Messen, Festivals oder ähnlichen Events geben, Anfragen von Clubs und allem eher Unseriösen landen laut Chef meiner Tanzschule sofort im Spam-Ordner und werden keines Blickes gewürdigt. Wer an seiner Meinung, Pole Dance gehöre ins Rotlichtmilieu festhalten will, wird es in Zukunft schwer haben, das auch zu begründen.