Eine fiktive Friedensrede in der Geschichte

– Risorgimento –

Rede eines Studenten der Rechtswissenschaften im Parlament nach der Proklamation von Viktor Emanuel II. zum König Italiens, Palazzo Carignano, Turin, 17. März 1861.

Eure Hoheit König Viktor Emanuel, eure Exzellenz Präsident des Ministerrats Camillo Benso, Graf von Cavour, Minister, Senatoren, Mitbürger und Mitbürgerinnen des italienischen Königreichs, sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine große Ehre, hier an diesem wichtigen Tag zu sein, der den Beginn einer neuen Epoche bestimmen und vor allem die Geschichte unseres Landes schreiben wird.

Seit Jahrzehnten hatten wir auf diesen Tag gewartet und nun haben wir unser Ziel erreicht, einen modernen und geeinten Nationalstaat zu schaffen, in dem alle italienischen Völker frei und friedlich leben können.

In der Vergangenheit standen alle unter einer ausländischen Unterdrückungsherrschaft und das Königreich Sardinien versuchte, die Opfer einmal von der brutalen Tyrannei zu befreien. Erst waren wir an diesem Versuch gescheitert und viele von unseren Landsmännern kämpften mit ihrem Blut, bis zu dem Tod. Mein Bruder war damals ein Soldat. Im März 1849 nahm er an der Schlacht bei Novara teil und nachdem er von den Österreichern gefangengenommen wurde, erschoss man ihn gnadenlos. Das hätte ich von Österreichern nie erwartet. Schließlich hatten wir eine unwürdige Niederlage erlitten, aber wir hatten nie aufgegeben.

Dank des liberalen Anreizes Mazzinis und der erfolgreichen Politik von Cavour konnte Italien einer neuen Richtlinie folgen. Ich bedanke mich auch bei dem General Garibaldi für seine Ermutigung, um die Gegner unseres Landes zu besiegen.

Diese aggressive Unterdrückung sollte man ein für alle Mal zu Ende bringen. Als Soldat hatte ich die Grausamkeit des Krieges erlebt. Im Jahr 1860 waren alle von unserer Kompanie für eine solche Schlacht wie bei Magenta unvorbereitet und zu jung – kaum konnten sie ein Gewehr nutzen. Über einen Sieg waren wir verzweifelt, aber Cavours freundschaftlichen Beziehungen zum Kaiser Napoléon III. ermöglichte die militärische Unterstützung der Franzosen. Am Ende hatten wir zusammen die Österreicher niedergeschlagen und die Lombardei, und ihre Städte wie Mailand, wurden von uns befreit. Im vergangenen Jahr war auch meine Reise während meines Militärdienstes durch Toskana und Emilia-Romagna für mich ein besonderes Erlebnis. Als wir auf die Brücke in Florenz einmarschierten, stand an deren Seiten die frohe und aufgeregte dort lebende Menschenmasse. Als Symbol ihrer Dankbarkeit bewarfen sie uns mit zahlreichen Blumensträußen, während ich mit voller Freude die Trikolore trug. Außerdem hatte ich viele Persönlichkeiten kennengelernt, denen ich als ihr Bruder die Hand reichte. Später verließ ich die Stadt und kehrte nach Hause zurück.

Ich meldete mich als Freiwilliger bei Garibaldis Tausend Rothemden an. Anfang Mai desselben Jahres fuhren wir aus Quarto (eine Stadt in Ligurien) in Richtung der sizilianischen Stadt Marsala ab. Während der fünftägigen Schifffahrt unterhielt ich mich einmal mit Garibaldi über die Zukunft Italiens. Er beteuerte mir, das Königreich beider Sizilien werde bald zu ihrem Ende kommen. „Was ich über die Zukunft Italiens denke, ist, dass alle Völker der Halbinsel ihre Freiheiten und Rechte friedlich genießen werden können“, sagte Garibaldi. Ich konnte diesen Traum schon wahrnehmen. Wir hielten uns zweimal in Toskana auf und am 11. Mai landeten wir in Sizilien, um später die Landeshauptstadt Palermo zu erreichen. Bei Calatafimi kollidierten wir mit etwa dreitausend bourbonischen Soldaten. Am Anfang hatten wir Schwierigkeiten, die gegnerischen Streitkräften niederzuschlagen. Einige weigerten sich, weiterzukämpfen und forderten einen Rückzug. Dazu sagte Garibaldi zu seinem Generalleutnant: „[…] qui si fa l’Italia o si muore.” ([…] hier machen wir Italien oder wir sterben hier.) Berühmte Wörter, die ich niemals vergessen werde. Später besiegten wir unsere Gegner bis zu unserer letzten Schlacht. Wir besetzten Palermo und infolgedessen Neapel. Der bourbonische König ging ins Exil und die Bevölkerung wurde befreit. In den nächsten Tagen begleitete ich Garibaldi und seine Truppen. Es gab auch einen legendären Tag, an dem ich persönlich teilnahm. Es war der 26. Oktober. Wir waren auf dem Weg durch Teano, einige Kilometer weit von Neapel. In einem Augenblick trafen wir uns mit dem König Viktor Emanuel. Er und Garibaldi näherten sich mit ihren Pferden und mit einem Handschütteln übergab der General dem König symbolisch die Gebiete des Mezzogiorno (Süditalien). In der Tat ein besonderer Moment meines Lebens.

Ein paar Tage später kehrte ich wieder nach Turin zurück, um mein Jurastudium und mein politisches Leben anzufangen. Ich will mich wieder bei allen Anwesenden und dem italienischen Volk. Ohne ihre Bemühungen hätten wir uns heute nie versammelt. Ja, es gibt noch Länder, für die wir interessiert sind, sich uns anzuschließen. Deshalb gibt einen langen Weg, den wir noch zurücklegen müssen.

Heute spreche ich auch im Namen der öffentlichen Meinung der jungen Generation. Sie haben viel für uns getan, aber wir sind die Zukunft. Nachdem wir euer Werk vollenden – nämlich ganz Italien in einem Nationalstaat zu schaffen. Italien wird ein Land sein, in dem die Menschen- und Bürgerrechte anerkannt und vor allem die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Fundament unserer neuen Verfassung dienen werden. Das wollte zumindest unser Freund Mazzini: Italien als Vorbild für den europäischen Kontinent. Seitdem werden wir die Waffen definitiv zum Schweigen bringen und damit eine Toleranzpolitik, basierend auf Rationalisierung gegenüber den anderen Staaten, einführen.

In diesem politischen, historischen und moralischen Klima sind wir bereit, den Progress unseres Landes vernünftig zusammen zu fördern, ohne den außenpolitischen Einfluss. Italien hat Kriege an der Seite von Frankreich geführt, jedoch ist es Zeit für eine Veränderung. Das Königreich Italien muss von den anderen Mächten unabhängig bleiben! Gewalt und Unruhen werden bekämpft, damit der Geist eines vereinigten Italiens noch lange lebt.

Im Namen unseres Vaterlandes bedanke ich mich für eure Aufmerksamkeit und Zuhören. Viva il rè! Viva l’Italia!

von Mattia Giusto