Mein letztes Weihnachten mit achtzig

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von Yaren

Es war zur Weihnachtszeit, als mein Verlag, bei dem ich tätig war, eine Festtagsgeschichte von mir verlangte. So setzte ich mich eines Nachmittags zu meinem reichlich geschmückten Baum und fing an Ideen zu sammeln und diese niederzuschreiben. Nun… ich versuchte es. Jedoch, und das muss ich schon zugeben, lag es mir nie, eine weihnachtliche, friedvolle und traditionelle Story zu schreiben. So legte ich mich auf den kalten, hölzernen Boden und dachte nach, in der Hoffnung, meinem Kummer und meiner Schreibblockade entgehen zu können, bis ich ein Geräusch in meinem Schlafzimmer hörte und schließlich nachsehen ging. Mein Schlafzimmer als auch meine Wohnung waren nicht besonders groß, doch was ich hatte, reichte mir. Worauf ich jedoch stolz war und es noch heute bin, ist meine große und durchmischte Ansammlung an Büchern aus der Ecke in der ich auch diese Geräusche wahrnahm. 

„Also wirklich, wenn du schon meine Bücher durchstöbern möchtest, dann frag doch wenigstens“, während ich diese Worte sprach, näherte ich mich langsam meiner Sammlung und erblickte eine zwergenhafte kleine und überaus junge Gestalt. Sie sah aus wie ein Elf und war ganz schrecklich angezogen. Der Elf war schon öfters hier gewesen, doch wer er war, woher er kam, und was er von mir wollte, verriet er mir nie. Ich war jedoch froh ichn zu sehen und fühlte mich nicht mehr so allein.

„Tut mir echt leid, aber du hast so schön vor deinem Baum gelegen und da wollte ich dich eben nicht stören“, er grinste, das tat er oft und seine Augen blickten in meine. Ich setzte mich neben ihn und ich erzählte schließlich von meiner Schreibblockade. Es tat gut, mit jemandem darüber zu reden. Zu meiner Überraschung herrschte Stille. Nach einigen Minuten des Schweigens fing der Elf an zu sprechen und was er zu sagen hatte überraschte mich.

„Ich möchte dir helfen. Immerhin ist es bald Weihnachten und meine Pflicht als ehrenhafter Elf ist es, Menschen wie dir zu helfen“, er stand nun auf und seine Stimme ertönte voller Stolz und Überzeugung: „Du könntest mit dieser Geschichte endlich bekannt werden und am Ende könntest du die Romane und Handlungen schreiben, die du auch willst.“

„Ich weiß nicht, immerhin würdest du die Handlung verfassen und nicht ich.“

„Ach was, die meisten Autoren heutzutage mogeln sich durch Ghostwriter hinauf an die Spitze.“

„Aber würde es dich nicht stören, wenn ich den ganzen Ruhm bekäme und du im Hintergrund…  na ja verrottest?“

„Ich verlange natürlich etwas von dir, doch das ist nur eine Kleinigkeit, also mach dir keine Sorgen… ach komm, du vertraust mir doch, oder?“, unsere Blicke trafen sich und nach einigen Minuten des Schweigens stimmte ich schmunzelnd seinem Angebot zu. 

—Was soll ich sagen…die Gier nach Erfolg und Ruhm packte mich.—

So fing der Elf an auf Papier eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben. Nach einer Stunde lag eine mehrere Seiten lange Story auf meinem Tisch. Aus irgendeinem Grund vertraute ich dem kleinen Wesen und ich schickte einige Minuten später das Skript meinem Verlag. Danach nahm sich der Winzling das Buch „Das Bildnis des Dorian Gray“ und verschwand. 

Am nächsten Tag rief mich mein Chef an und war begeistert von der Geschichte. Sie ließen es sofort drucken, online veröffentlichen und versuchten es zu promoten. 

Es ging alles so schnell. Die Story wurde in Büchereien vorgelesen, ich verteilte Autogramme  und die verschiedensten Verlage wollten mich buchen und dafür auch sehr gut bezahlen. Endlich war ich erfolgreich und beliebt, doch mir ging es immer schlechter. Ich wurde krank und mit jedem Tag wurde ich älter. Meine Treffen mit den Verlegern wurden physisch immer anstrengender und ich bekam immer schneller Falten. Einige Tage danach hatte ich mit Mitte zwanzig fast nur noch graue Haare, auch mein Körper fing an zu schrumpfen und mein Rücken krümmte sich zu einem Buckel. Drei Wochen nach der Veröffentlichung der Weihnachtsgeschichte hatte ich den Körper und das Aussehen eines alten achtzig jährigen Mannes. Ich schottete mich von allen ab, meine Familie sah ich nicht mehr und mit meinen Freunden sprach ich nicht mehr. Ein Gefühl der Einsamkeit packte mich und ich hatte Angst. Was würden meine Freunde sagen oder was würde meine Familie denken, wenn sie mich sehen könnten? Ich verlor mein Hungergefühl und war dem Tode nahe. Ich verbrachte Weihnachten alleine und sterbend auf dem Bett, bis ein Schatten über mir auftauchte. Es war mein junger Freund, zumindest dachte ich das. Seit der Veröffentlichung seiner Geschichte ließ er sich nicht mehr blicken und jetzt war er hier, grinsend in meine Augen blickend. Er hatte das ausgeliehene Buch in seiner Hand und schwieg vor sich hin. Als ich ihn genauer betrachtete, fiel mir etwas Eigenartiges an ihm auf. Er war nun voller Leben und gut angezogen, doch er sah anders aus, er sah jünger aus. Als ich ihm wieder ins Gesicht blickte, wurde mir klar, gegen was ich Erfolg und Ruhm eingetauscht hatte… Ich bereute alles, ich wünschte mir, ich hätte diesen Elf nie kennengelernt, ich wünschte mir, meiner Familie und Freunde nahe zu sein und ich wünschte mir, ich hätte in mir diese Gier nach Erfolg stillen können, doch ich war zu krank und zu alt um diese Worte aussprechen zu können. Doch er, auch ohne irgendwelche Worte zu sprechen, bemerkte meine Reue. Er gab mir das Buch zurück und legte es in meine knöchrigen und kalten Hände, er sah mich noch einmal an, grinste ein letztes Mal und verschwand.