Die Klitoris

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Hannah Brandner

Es gibt so einiges, worüber man sich spätestens im Schulunterricht bewusst wird, dass man es nicht weiß. Doch Aussehen und Funktion der weiblichen Anatomie würden wohl spontan die wenigsten von uns zu ihrem „Nicht-Wissen“ zählen. So auch ich, zumal ich selbst schon eine ganze Weile – über 21 Jahre – mit meinem Frauenkörper herumrenne.

Gut, in der Schule wird das Thema ja nur recht sporadisch behandelt, so seien zumindest die Jungs unter uns entschuldigt, falls sie zum Beispiel keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn der monatlichen Periode haben sollten. Denn zumindest zu meiner Schulzeit war es tatsächlich so, dass damals im Sexualkundeunterricht nach Geschlechtern getrennt wurde, sodass man zwar am Ende so einiges an Wissen über sein eigenes- und so gar keines über das andere Geschlecht zu verzeichnen hatte. Wie sinnvoll dieses Unterrichtskonzept sein mag, darüber kann man sich jetzt streiten. Aber da der „was wäre wenn“-Gedanke bekanntlich kein konstruktiver ist, nähern wir uns dem wesentlichen Thema dieses Artikels, das sich unschwer im Titel zu erkennen gibt und sicherlich den ein oder anderen stutzig gemacht hat: die Klitoris.

Die Vagina mit grün markierter Klitoris

Der kleine Knubbel oberhalb der Vagina ist die Klitoris, wie wir sie kennen (wer keinen Plan hat, siehe Zeichnung). Wirklich sichtbar ist meist nur das kleine Hautdings, das sie zum Schutz umhüllt – ähnlich wie die Vorhaut das bei der Eichel macht. Die Klitoris hat eine glatte Oberfläche und neigt dazu, im erigierten Zustand leicht anzuschwellen, was neben der Tatsache, dass die Klitoris einen erheblichen Teil zum Lustbefinden beiträgt, eine weitere Parallele zum männlichen Schwellkörper darstellt.

Doch eines wesentlichen Unterschieds – dem Größenunterschied zwischen männlichem und weiblichem Schwellkörper – konnte man sich bisher immer sicher sein. So sagt man, die Klitoris verzeichne eine Größe von beispielsweise der einer Erdnuss bis zu maximal der des Umfangs einer Traube. Dass sich die Klitoris demnach dem männlichen Durchschnitt geschlagen geben muss, war immer klar. Doch was, wenn das nur die Spitze des Eisberges ist?

Denn wie bereits im 16. Jahrhundert herausgefunden und bis zum Jahre 1998 wieder vergessen wurde, versteckt sich ein wesentlicher Teil der Klitoris im Körperinneren. Die sichtbare Klitorisperle macht im Verhältnis zum Ganzen gerade einmal 7% aus. Sie stellt den Kopf dar, von dem ausgehend sich die restlichen 93% des Organs in Form von vier Armen erstrecken. Insgesamt schafft es die Klitoris so auf eine Durchschnittsgröße von etwa 10cm, womit sie sich letzten Endes auch beim Schwanzvergleich keineswegs zu verstecken braucht. Der Durchschnitt unter den Männern im europäischen Sprachraum liegt bei ca. 11,66cm im nicht erigierten Zustand. Betrachtet man nun die Differenz von 1,66cm, entspricht sie in etwa dem Verhältnis des generellen Größenunterschiedes zwischen Mann und Frau.

So lässt sich festhalten, dass sich Klitoris und Penis zumindest in Bezug auf ihre Größe recht nahe stehen.

Die Klitoris

Doch welchem Zweck ist die Form geschuldet? Betrachtet man das Modell (siehe Zeichnung) verweist die anatomisch korrekte Darstellung hauptsächlich auf Ähnlichkeiten mit einem gewissen Meeresbewohner, was gerade Männer im ersten Moment abzuschrecken scheint. Dabei sind die Wurzeln der Klitoris ein unverzichtbarer Teil eines ausgeklügelten Systems, für das sich die Natur keineswegs zu schämen braucht. Erst durch sie besteht für Frau überhaupt die Möglichkeit zur Luststeigerung beim reinen Rein-Raus-Spiel. Wie Arme legen sich die Wurzeln um den Vaginalgang und verwandeln die dortigen Empfindungen in eben dieses gute Gefühl, das Sex ausmacht.

Demnach handelt es sich beim sogenannten vaginalen Orgasmus auch um einen Mythos, den höchstwahrscheinlich Freud in die Welt gesetzt hat. Ganzheitlich betrachtet, ist schließlich jeder Orgasmus auf die Klitoris zurückzuführen. Zu allem Übel stellte Freud sogar die Behauptung auf, die Klitorisstimmulation sei nur etwas für vorpubertäre Mädchen. Die reife, gesunde Frau hingegen solle den Gipfel gefälligst durch die rein vaginale Penetration erreichen. Die rund 75% der Frauen, denen es unmöglich ist, ohne die Stimulation der Perle zu kommen, hatten damals sicherlich wenig zu lachen, wenn sich ihr Mann auf Freud berief. Glücklicherweise sind wir als Gesellschaft inzwischen über die einfachen Erklärungen des Wiener Psychoanalytikers hinausgewachsen. Und auch wenn es nun naheliegend scheint, diese Fakten in die Kategorie unnützes Wissen abzuschieben, mag es vielleicht doch einige von euch dazu inspiriert haben, sich nicht mit dem Offensichtlichen zufriedenzugeben.

Illustrationen – Elena Rohloff