Der Teufel im Metall

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Annika Schnabel

Spinnenphobie, Höhen- oder Platzangst. Jeder hat ein kleines Manko, das sein Sozialleben etwas mehr oder weniger beeinflusst. Doch nicht alle Ängste sind für jeden leicht nachvollziehbar. Die 17-jährige Lisa* erntet für ihre Metallphobie größtenteils nur verständnisloses Kopfschütteln.

Lisa sitzt mit ihren Freundinnen in ihrem Lieblingsrestaurant in ihrer Lieblingsecke. Sie hat ihren Lieblingsdrink in der Hand, und die Stimmung ist super. Die Musik im Hintergrund geht direkt ins Ohr. Alles ist perfekt. Trotzdem steht Lisa der Schweiß auf der Stirn. Sie sieht, wie der Kellner mit den bestellten Nudeln zu ihrem Tisch herüber kommt. Die muss sie gleich essen. Eigentlich kein Problem, die Nudeln sind wirklich lecker. Aber das Besteck, mit dem sie die Nudeln essen muss. Das ist ein Problem.

Das einzige Besteck, das Lisa ohne Probleme benutzen kann, ist das ihrer Eltern. Auch Münzen und Türklinken stellen schier unüberwindbare Hindernisse für sie dar. Manchmal kann sie sich dazu überwinden, Wechselgeld entgegenzunehmen oder eine Tür mit der Hand zu öffnen, wenn es mit dem Fuß gar nicht machbar ist, doch es muss ein Waschbecken in unmittelbarer Nähe sein, damit sie ihre Hände sofort waschen kann. Wenn sie einmal mit Freundinnen essen gehen will, bevorzugt sie Burgerläden oder asiatische Restaurants, wo sie entweder mit den Fingern oder mit Stäbchen essen kann. Wenn beides nicht möglich ist, ist Lisa meistens mit ihrem eigenen Plastikbesteck ausgerüstet oder wickelt das Besteck des Restaurants in eine Serviette. Einen Ehering aus Metall wird sie wohl niemals tragen, da ist sie sich mehr als sicher. Ihr Ekel verstärkt sich noch, wenn ihr der Geruch von nassem Metall in die Nase steigt, eine metallic-glänzende Designerküche ist für sie schlimmer als ein Horrorfilm.

Als Behandlung empfehlen Psychologen Konfrontations- oder Verhaltenstherapie, doch Lisa kann und will an ihrem „Tick“ nichts ändern. Einen Magersüchtigen zwinge man nicht einfach, etwas zu essen, also solle man sie auch nicht dazu zwingen, metallene Gegenstände zu benutzen, sagt sie.

Ihre Freunde haben ihr Verhalten inzwischen akzeptiert und unterstützen sie, wo sie nur können, obwohl es manchmal ein wenig nervenaufreibend sein kann. Lisas Eltern jedoch zeigen wenig Verständnis. Sie können nicht akzeptieren, warum ihre Tochter sich so komisch verhält und schon seit ihrer Kindheit heimlich das eigene Besteck mit zu den Großeltern nimmt, um dort kein anderes benutzen zu müssen.

Diesen kleinen Kampf um das Metall werden Lisa und ihre Eltern wohl noch eine ganze Weile führen, denn wie die Angst vor Spinnen oder Magersucht verschwindet auch die Metallphobie nicht von heute auf morgen.

*Der Name wurde von der Redaktion geändert